Was du vom Eisbaden für dein Business lernen kannst
Attacke! oder: Überwindung ist alles
Vor einiger Zeit musste ich nach einer Verletzung eine Reha an der Ostsee machen. Über diese 4 Wochen ließe sich jetzt viel sagen, vor allem auch über die empirische Sozialforschung, die man mehr oder automatisch dort betreibt, wenn man eine Menge fremder Menschen über Wochen plötzlich jeden Tag vom Buffet bis in die Sauna begleitet. Oder über Sportarten, die ich auch nach einem Monat nicht verstanden habe (Nordic Walking). Aber ich möchte heute von meinem absoluten Highlight erzählen, und wer weiß, vielleicht lässt du dich von meiner Begeisterung anstecken und probierst es tatsächlich mal aus. Es ist es auf jeden Fall Wert.
Ich sage das Zauberwort, um das es geht, möglichst kurz und schmerzlos: Eisbaden.
Ich gestehe, dass ich eigentlich ziemlich fröstelig bin. Freiwillig kalt zu duschen war für mich immer ein untrügliches Zeichen von entweder fortgeschrittenem Masochismus oder deutlich eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit. Zu dem Thema gab es für mich keine Experimente: Auf kaltes Wasser reagiere ich wie meine Katze auf die Badewanne und selbst nach der Sauna zieht mich nichts ins Eisbecken. Ich brauche keinen Gefrierbrand am eigenen Körper. Als ich das erste Mal vom „Eisbaden“ oder „Winterschwimmen“ hörte, was an der Ostsee eine Art Volkssport ist,
verdrehte ich ehrlich gesagt erst mal reflexartig die Augen und tippte mir gedanklich leicht an die Stirn. Bei diesem Brauch stürzen sich erwachsene Menschen bei vollem Verstand wie die Lemminge in Eiswasser. Klar, kann man machen. Muss man aber nicht. Ich jedenfalls nicht. So dachte ich zumindest.
Es ist Februar, die Außentemperatur liegt bei 4 Grad, die Ostsee selbst bei 2 Grad. Also ungefähr Gefrierfachtemperatur.
Dreieinhalb Wochen lang erklärten mir quasi sämtliche Mitpatienten, wie toll die Erfahrung sei und dass ich hier nicht abreisen könne ohne es nicht einmal probiert zu haben. Fast täglich warf sich eine Schar Patienten unter Anleitung eines Arztes wagemutig in die Fluten der Ostsee. Was ich sagen kann: Die, die es überlebten, schwärmten davon. Man sei danach wie neu geboren, heißt es. Neugeburt finde ich wiederun und so war ich drei Tage vor meiner Abreise dann letztlich tatsächlich soweit es auszuprobieren. Kleines aber nicht unerhebliches Detail: Zu der Zeit ist es Februar, die Außentemperatur liegt bei 4 Grad, die Ostsee selbst an dem Tag bei 2 Grad. Also ungefähr Gefrierfachtemperatur. Ohne Sonne liegt draußen überall Raureif. Normale Menschen tragen Winterjacken mit North Face Polar Fleece drunter. Was die Leute in dem Video unten auf dem Kopf haben, sind Pudelmützen.
Der Arzt, der das Unterfangen am winterlichen Strand anleitet schreit kurz vor dem kollektiven Sturm ein fulminantes „ATTACKE!!“ – und alle rennen los. Die Frau, die in dem Video erst mal noch mit ihren Haaren kämpft, bin ich.
Hier geht’s zum Video!: https://www.youtube.com/watch?v=k09AU5Pu018&feature=youtu.be
Was für eine verrückte Idee!! Verdammt, war das kalt! Aber großartig! Hier meine drei Learnings:
1. SOMETIMES, JUST SWITCH OFF YOUR BRAIN!
Es ist wirklich unverschämt kalt und wenn man nicht nach unten schaut kann man vorübergehend nicht mehr mit Sicherheit beschwören, dass man noch Füße hat. Aber wirklich krass sind eigentlich nur die Meter, bis man tatsächlich im Wasser ist. Die gilt es durchzuhalten! Wenn ich drüber nachgedacht hätte, hätte ich’s nicht gemacht, ganz einfach. Aber danach kommt ein echter Endorphinschub, der mehrere Stunden anhält. Noch nie ist mir so bewusst gelungen, mein Gehirn auf Sendepause zu stellen, wenn es mich von etwas Neuem abhalten will. Inzwischen kann ich es fast jederzeit bewusst lautlos auf schalten, wenn es versucht, mir irgendeine gute Idee auszureden. Wann immer ich seit dem Eisbaden irgendwas zu tun habe, was mir eher unangenehm ist, denke ich einfach ATTACKE!!!! – und ansonsten gar nichts mehr. Sondern tue es einfach.
2: STOP JUDGING
So fest meine Überzeugung vorher war, dass man sich so einen Kälteschock als klar denkender Mensch wirklich nicht antun muss, so deutlich wurde mir dabei einmal mehr, wie ungut es ist IRGENDETWAS voreilig zu be- oder verurteilen. Weil wir meist einfach nicht wissen, was „wirklich“ stimmt und es uns von neuen, wichtigen Erfahrungen abhält. Stop judging!
3: MAKE PAIN YOUR FRIEND
Ich habe durchgehalten und dusche jetzt jeden Morgen kalt. Und es ist toll. Wirklich. Ich bin super wach, friere nicht mehr, fühle mich total abgehärtet und die Bewertung von vorher ach nööö, viel zu kalt für so früh am Morgen hat sich komplett gedreht zu: Ich BESTEHE auf mein kaltes Wasser!! Denn es ist toll, sich so maximal wach zu fühlen und mit dem zu starten, was früher eine Überwindung gewesen wäre – und jetzt ein Klacks ist. Es erinnert mich jeden Tag daran, wie schnell sich eine Bewertung ändern kann. Und welchen Unterschied Durchhalten macht. Just do it 😉